Sexuelle Verhaltensstörungen
Sexuelle Ängste und Phobien
Im Kontext von Sexualität können, wie in jedem anderen Kontext auch, bei anhaltender psychischer Überforderung Angststörungen entstehen. Diese reichen von leichten Vermeidungstendenzen bis zu panikartiger Flucht aus der unangenehmen Situation.
Ursache können negative sexuelle Erfahrungen der Person in Kindheit und Jugend sein (z.B. sexueller Missbrauch), oder auch ein sexuelles Trauma eines Elternteils, das in Form von sexualfeindlichen Einstellungen unbewusst an die Kinder weitergegeben wurde.
Auch allgemeine soziale Ängste und Unsicherheiten (Schüchternheit) können sich auf der sexuellen Ebene zeigen, z.B. in Form von ambivalentem Bindungsverhalten oder sexuellen Leistungsängsten.
Aber selbst gestandene Männer, die an sich wenig ängstlich sind, können eine zunehmende Angst vor spezifischen sexuellen Situationen entwickeln. Häufig passiert das im Rahmen von Erektionsstörungen, wenn die Erektion als unkontrollierbar erlebt wird und das eigene Selbstverständnis als guter Liebhaber ins Wanken gerät.
Die Folge ist die Assoziation von Angst und Anspannung mit einer sexuellen Situation und deren zukünftige Vermeidung.
Im Zeitalter des Internets wird diese Entwicklung oft noch von außen dadurch begünstigt, dass Sexualität virtuell stattfinden kann, und die Begegnung mit echten Sexualpartnern über die Fantasieebene umgangen und kompensiert werden kann.
Sexuelle Aversion
Aversion ist das Gegenteil von Appetenz. Während sexuelle Appetenz sexuelle Lust bedeutet, bezeichnet sexuelle Aversion also sexuelle Unlust. Im Gegensatz zu sexualphobischen Reaktionen bezieht sich die sexuelle Aversion nicht auf Sex allgemein, sondern auf den Sex mit einer bestimmten Person, z.B. den Partner. Sexuelle Aversion ist also weniger generalisiert, die Ablehnung kann aber auch hier schwächer oder stärker ausfallen.
Sexuelle Aversionen treten häufig in Partnerschaften auf, in denen das gegenseitige sexuelle Begehren sehr unterschiedlich war oder sich durch unterschiedliche Faktoren asynchron entwickelt hat. Hier kann sich Lust und Unlust auch noch gegenseitig aufschaukeln, indem bei einem Partner der Wunsch nach Partnersexualität umso stärker wird, je mehr sich der andere Partner der gemeinsamen Sexualität zu entziehen versucht. Der dadurch entstehende Druck führt zu einer Eigendynamik, die sich selbst aufrecht erhält und mit der Zeit verstärkt.
Sexuelle Unlust ist nicht gleich bedeutend mit fehlender Lust. Lustlosigkeit ist ein energiearmer Zustand, während Unlust eine energetisch starke Abwehrreaktion auf der körperlichen Ebene beinhaltet.
Sexuelle Aversionen lassen sich in der Regel nicht therapieren in dem Sinne, dass die Aversion verschwindet. Eine Therapie ließe sich auch wegen des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung ethisch nur schwer rechtfertigen. Allerdings kann eine Paartherapie helfen, einen besseren Umgang mit den divergierenden Wünschen der Partner zu finden.